Ein Tag in Schlesien oder Was macht ein französischer Grenadier im Museum !


Seine Exzellenz General Levin v. Geusau.
Seine Exzellenz General Levin v. Geusau
Grenadier Villeneuve.
Grenadier Villeneuve

Am 6. Ventôse an CCXVI (24. Februar 2008) verschlug es den Grenadier Villeneuve – fernab von seiner eifrig in Pobles exerzierenden Truppe – in das Oberschlesische Landesmuseum in Ratingen, zur Belebung der dortigen Ausstellung "Anfang und Ende Preußens in Schlesien".

Zusammen mit einigen Preußendarstellern sollte hier auf Wunsch des Museums auch ein Franzose vor Ort sein, halt als Hinweis darauf, dass 1806/1807 die preußische Herrlichkeit auch in Schlesien durch die Doppelniederlage in Jena und Auerstedt und die nachfolgenden Kapitulationen fast aller preußischen Festungen arg gelitten hatte.

Als Konterpart zu den anwesenden Preußen der 5. preußischen Brigade (zwei Mann Linie und zwei Mann Landwehr) aus den Jahren 1813-1815 sowie einem preußischen Freischärler von 1806 sowie seiner Exzellenz Levin v. Geusau, Generalquartiermeister und Chef des Ingenieurcorps von 1806 mit Sekretär, oblag es insoweit dem Grenadier Villeneuve, die arg preußenlastige (wen wundert es!) Veranstaltung einerseits mit etwas schmuckem gallischem Uniformgehalt zu beleben und mit französischem Charme den anwesenden Besuchern weiblichen Geschlechts die Feinheiten des Begriffs "Fisematenten machen" näherzubringen ...

So saß der einsame Grenadier dort in einer Ecke beim Waffenreinigen mit Öl und Ziegelmehl beschäftigt, und harrte der Besucherinnen. Wenn sich keine Hübsche erspähen ließ, halt auch etwas Eigen-Drill.

Was macht man?

Neben einer nachvollziehbaren und stimmigen Tätigkeit (insoweit bevorzuge ich für eine einzelne Person das Waffenreinigen, weil man so leicht mit den Leuten ins Gespräch kommt) gehört ein flexibles Repertoire an Themen, die man vortragen kann, zu so einer Veranstaltung. Also Funktionsweise Muskete, Wirkung Muskete, Lineartaktik u.a.m., Besonderheiten der Uniform, zu welchem Jahr man gehört, was die äußeren Umstände sind (Einquartierung, Belagerung) etc.

Eingentlich alles, um mit den Besuchern ins Gespräch zu kommen. Bei Führungen wird normalerweise in einem vorher abgesprochenen Rahmen ein Part zugeteilt, und die Besucher dann zugeführt.

Was kommen für Besucher?

Zum einen, wenn ein einzelner Besucher kommt, sicherlich eher etwas zögerlich, man muss also auf die Personen zugehen, sie ansprechen und mitnehmen, Kinder reagieren im ersten Moment entweder verschreckt ("Mama, da sitzt einer!") oder wieder anders bei etwas älteren Kindern ("Coll, echte Knarren!"). Es gibt unter den erwachsenen Besuchern ganz unterschiedliche Gruppen, als grobe Typisierung zum einen die nervigen Waffen-Debilen, die anderen sind die, die meinen, wir hätten Originaluniformen an, die nächsten halten einen für einen Museumsangestellten, der das jeden Tag macht.

abends zwar Fusseln am Mund ...
abends zwar Fusseln am Mund ...

Es gibt auch die, die selbst reden wollen und einen mit ihrem langweiligen Leben oder ihren Hinweisen, welche tollen (Plastik-)Orden sie zu Hause haben, langweilen, es gibt die Modellbauer und Zinnfigurensammler, diese teilweise mit erheblichen und nicht zu unterschätzenden uniformkundlichen Kenntnissen; so hat ein Besucher mich in Ratingen direkt darauf angesprochen, wieso die ärmelknopfleiste nicht in blau sondern in rot ausgeführt ist!

Es gibt auch die Alten, die z.B. beim Anblick eines Bajonetts völlig unerwartet reagieren – wie jetzt bei einem in Ratingen passiert, der leise vor sich hinmurmelte, dass er einen Angriff mit aufgepflanztem Bajonett hätte mitmachen müssen und heute noch Albträume deswegen hätte. Sicherlich kein Besucher, dem man dann die Feinheiten der Waffe erklärt, sondern mit Verständnis und ruhig zu einem anderen Thema bringt. Insgesamt ist insoweit – was uns auch in Kiekeberg erwartet – der Besucher absolut König, er ist jederzeit ernst zu nehmen. Auch in einem Museum wollen und müssen wir deswegen gerade authentisch bleiben, damit es nicht zum Kasperlespiel verkommt.

Meine Erfahrung nach mehreren derartiger Einsätze auf verschiedenen Figurenmesen in Herne, Wesel und Dortmund und diversen Museen ist die, dass wenn man auf jeden Besucher möglichst individuell eingeht, man echte Begeisterung erreicht, dann kommen die Leute auch und fragen, was einen selbst zum Hobby bringt und speziell zu dieser Epoche, sich also ein echter Dialog entwickelt. Dann bleiben manche Besucher auch zeitvergessen ein oder zwei Stunden bei einem.

Dass wir auf diesem Wege nicht Tausende neuer Leute rekrutieren können, ist mir klar, ist aber auch nicht mein vorrangiges Ziel. Veranstaltungen mit museumspädagogischen Einschlag sind sicherlich eine etwas andere Art als das übliche Reenactment, aber halt auch wichtig, um in breiteren Kreisen Verständnis und Interesse für unser Hobby zu wecken.

Insgesamt wares ein interessanter Tag, abends zwar Fusseln am Mund und arg müde aufgrund von irgendetwas um 250 Besuchern, aber die Besucher – und zwar nicht nur die weiblichen! – waren begeistert.

Ein vom Marsch aus Schlesien zurück noch müder

Villeneuve



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